«Sehr oft ist viel Know-how intern vorhanden»


30.01.19 - Im Interview erläutert Dr. Claude Meier was wichtig bei der Führung im digitalen Zeitalter ist und was ihn bei den Studienergebnissen zum Nachdenken gebracht hat.



Wie erklären Sie sich, dass viele KMU die strategische Wichtigkeit der Digitalisierung zwar als hoch einschätzen, diese aber dennoch vernachlässigen?
Allenfalls liegt es an der Fülle der heutigen Themen, dass ein Drittel der KMU keinerlei Strukturen hat, um digitale Aktivitäten zu steuern – wie beispielsweise einen CDO (Chief Digital Officer) oder eine Geschäftseinheit. Das Problem ist, dass die Steuerungsfähigkeiten fehlen. Führung bedeutet Mut zu haben, zu steuern und die geeignete Strategie zu finden. Ich bin auch der Meinung, dass es sich lohnen würde, wenn Führungskräfte ruhig ein bisschen offener wären und öfters mit der Belegschaft zusammensitzen würden. Dieser Austausch ist ausgesprochen wichtig, und Mitarbeitende sollten mehr miteinbezogen werden. Oft gibt es Initiativen betreffend der Digitalisierung, die aber isoliert sind. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, zusammen an der Digitalisierung zu arbeiten. Ausserdem sollten die Mitarbeitenden mehr Verantwortung übernehmen können. Natürlich ist ein flexibler und offener Buttom-up-Ansatz nicht immer passend, wie etwa bei der Feuerwehr, aber Mitarbeitende sehen oft gute Lösungen und darum ist ein Miteinbezug wertvoll. Entscheidend ist, dass eine klare Digitalstrategie und eine klare Vision vorhanden sind. Dazu sollten auch digitale Kennzahlen gemessen werden, beispielsweise wie viele digitale Tools in Betrieb genommen wurden. Darüber hinaus ist wesentlich, dass die Digitalisierung in die internen Prozesse einfliesst und diese untereinander verknüpft werden. Gegen aussen kann zum Beispiel geprüft werden, wie digital der Auftritt gegenüber Kunden bereits ist. Es erfordert etwas Kreativität, aber grundsätzlich ist die Digitalisierung durchaus messbar. 

Digitalisierung ist eine Denkhaltung. Wie erreicht man diese in der Führung?
Dies fängt bei jedem selbst an, mit der Frage wo stehe ich? Natürlich darf bezüglich der Digitalisierung keine Verweigerungshaltung vorhanden sein. Ein Anfang könnte sein, in den eigenen Privatbereich zu schauen. Die meisten werden feststellen, dass sie da Hotels ja auch schon lange online buchen oder das Paket bei der Post online tracken. Es braucht allenfalls etwas Mut, die Digitalisierung auf Führungsebene gleichermassen zu leben, doch Gespräche mit jüngeren Mitarbeitenden oder der IT-Abteilung helfen dabei sicher. Natürlich sollte die Digitalisierung mit Augenmass angegangen werden, es macht nicht bei allen Unternehmen Sinn, auf dem Level von Amazon sein zu wollen. Eine gesunde Haltung gegenüber der Digitalisierung ist aber unabdingbar und der Mut etwas zu probieren muss vorhanden sein. Und falls eine Sache nicht klappt, ist dies immer sehr lehrreich und entspricht einer produktiven Fehlerkultur. Ein weiterer Punkt ist, über die Digitalisierung an den Mitarbeiter-Meetings zu informieren und die Mitarbeitenden gerade miteinzubeziehen. Auch möglich wäre das Bilden eines Digitalausschusses, der die Aufgabe hat, Ideen zu generieren. Ein anderes Gremium sammelt Problemstellungen und wieder eines ist mit der Umsetzung betraut. Wichtig ist, dass diese Gremien einen direkten Zugang und ständigen Kontakt zur obersten Führungsebene haben. 

Wie sieht Ihrer Meinung nach eine gute Digitalstrategie aus?
Eine Digitalstrategie ist sehr individuell und von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Beispielsweise funktioniert ein holokratischer Ansatz nicht in allen Betrieben gleich gut. Leider gibt es folglich kein einheitliches Rezept, aber es gibt durchaus auch Übergreifendes. Ich plädiere grundsätzlich für einen grösseren Spielraum für die Mitarbeitenden. Dazu gehören aber klare Rahmenbedingungen, klare Strukturen und klare Visionen. Dieser stabile Rahmen muss dann eingehalten werden, darin dürfen Mitarbeitende sich engagiert bewegen. Daraus kann ein bereicherndes Top-down-Bottom-up-Pingpongspiel entstehen, bei dem sich die Bälle gegenseitig zuspielt werden. 

Was für Eigenschaften sollte Ihrer Meinung nach eine Führungsperson heutzutage kultivieren?
Sie sollte wie gesagt die Mitarbeitenden miteinbeziehen, gut zuhören und koordinieren können.

Gab es bei den Studienresultaten etwas, das Sie überraschte?
Zum Nachdenken regte die Tatsache an, dass grosse Unternehmen ab 250 Mitarbeiter schlechter als kleinere auf Agilität reagieren. Sprich je kleiner das Unternehmen, desto besser wirkt sich Agilität auf die Umsatz- und Gewinnentwicklung aus. Wir gehen davon aus, dass dies mit Flexibilität und Offenheit zu tun hat. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass das digitale Bildungsangebot tatsächlich darauf Einfluss hatte, wie sich die Unternehmen selbst in Bezug auf den digitalen Reifegrad einschätzen. Nicht zu vergessen ist immer auch die Vorbildfunktion, die Führungspersonen innehaben. Wenn erwartet wird, dass etwas passiert, müssen sie die Ersten sein, die etwas tun wie beispielsweise ein Tool zu nutzen. Sonst stellt sich ein «Empty-Disco»-Phänomen ein, die Musik läuft, die Lichtshow ist perfekt, doch es tanzt niemand. Und nochmals: sehr oft ist viel Know-how intern vorhanden.

Studie «Digital Leadership Barometer» der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich

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