19.05.25 - Die Produktion von «grünem Stahl» gewinnt an Fahrt. Ein Blick auf die nachhaltigen Technologien und Angebote der wichtigsten europäischen Stahlproduzenten.
Grüner Stahl ist zwar nach wie vor etwas teurer als konventionell hergestellte Stahlsorten, ohne dass sich Qualität, Beschaffenheit und Verarbeitbarkeit unterscheiden würden. Trotzdem gewinnt die Nachfrage wie auch die Produktion von (nahezu) CO₂-neutral produziertem Stahl auch 2025 weiterhin an Fahrt.
In der Regel stellt der Preis von «grünem» Stahl für viele Käufer noch eine Hemmschwelle dar, zumal je nach Sorte mit einem Aufpreis, in Extremfällen bis zu 300 Euro pro Tonne, zu rechnen ist. Dennoch fordern bereits viele Bauherren – oft auch die öffentliche Hand – bei der Projektvergabe die Verwendung Stahlsorten mit nachweisbar reduziertem CO₂-Fussabdruck – sei dies aufgrund von gesetzlichen Vorgaben, politischen Zielen oder einer selbstauferlegten Nachhaltigkeitsstrategie. Möglichst nachhaltig hergestellter Stahl gewinnt also trotz höheren Preisen einen immer grösseren Marktanteil und löst langsam aber sicher konventionell produzierte Stahlsorten ab.
Forster Campus in Romanshorn aus grünem Stahl
Mit nachhaltigem Stahl erstellte Bauwerke sind zum Beispiel der neue Forster Campus in Romanshorn, erstellt von der ebenfalls dort ansässigen Ernst Fischer AG. Das 2024 fertiggestellte Bauprojekt ist der erste Gebäudekomplex der Schweiz, der mit dem international anerkannten LEED-Zertifikat «Gold» für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet wurde. Beim Bau wurden rund 1‘900 Tonnen Stahl aus CO₂-reduzierter Produktion verbaut.
Die führenden europäischen Hersteller treiben die Umstellung auf eine nachhaltige Produktion voran. Unter anderem werden die Hochöfen schrittweise durch wasserstoffbasierte Anlagen ersetzt (Wasserstoffdirektreduktion), um bei der Herstellung den CO₂-Ausstoss zu reduzieren (Dekarbonisierung) beziehungsweise zu ganz eliminieren (Endziel «Netto null»).
Die Stahlhersteller kombinieren verschiedene Ansätze zur CO₂-Einsparung, von der Direktreduktion mit Wasserstoff bis zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung oder auch durch optimierte Nutzung von Schrott. Wir werfen im Folgenden einen Blick auf einige führende Stahlproduzenten und ihre aktuellen Technologien und Angebote für nachhaltig produzierten Stahl.
ArcelorMittal
Der grösste europäische Stahlkonzern ArcelorMittal verfolgt drei Ansätze zur Dekarbonisierung: Recyclingstahl, moderne Wasserstoff-Direktreduktionsanlagen (DRI) und sogenannte «Smart-Carbon»-Technologien wie Biomasse mit CO₂-Abscheidung. Unter dem Namen XCarb laufen Projekte, um bis 2050 in den europäischen Werken ausschliesslich klimaneutralen Stahl zu produzieren. XCarb-Produkte bestehen aus rezykliertem Stahl, der in Elektrolichtbogenöfen mit 100% erneuerbarem Strom hergestellt wird. Derzeit sind dies primär Langprodukte, das CO₂-reduzierte Angebot soll bald auch um Flachprodukte ergänzt werden. Dank hohem Schrottanteil und zertifiziertem Ökostrom weisen diese Stähle eine sehr tiefe CO₂-Bilanz von 658 kg pro Tonne auf. Zum Vergleich: Ohne Massnahmen fallen ca. 2,1 bis 2,5 Tonnen CO₂ an.
Thyssenkrupp
Thyssenkrupp ersetzt derweil ihre Hochöfen schrittweise durch Direktreduktionsanlagen (DR) unter Nutzung von grünem Wasserstoff – dieser Prozess soll bis Ende Jahr abgeschlossen sein. Aktuell bietet das Unternehmen CO₂-reduzierten Stahl unter dem Namen «bluemint Steel» an, bei dem unter anderem durch die Nutzung alternativer Eisenträger im Hochofen die CO₂-Intensität pro Tonne von 2,1 auf 0,75 Tonnen gesenkt wurde.
SSAB
Die schwedische SSAB setzt für die Herstellung von fossilfreiem Stahl auf das HYBRIT-Verfahren. Dabei werden Koks und Hochofen durch fossilfreie Elektrizität und Wasserstoff ersetzt, was den CO₂-Ausstoss auf nahezu null senkt. Eine erste Produktionsanlage soll ab 2026 fossilfreien Eisenschwamm liefern. Die Stahlsorten mit zertifizierter, stark reduzierter CO₂-Emission nennt das Unternehmen SSAB ZERO Steel und SSAB FOSSIL FREE Steel.
voestalpine
Der österreichische Stahlproduzent voestalpine bewegt sich mit «greentec steel» ebenfalls in grossen Schritten auf die Dekarbonisierung zu. Ab 2027 werden grünstrombetriebene Elektrolichtbogenöfen in Linz und Donawitz die ersten Hochöfen ersetzen und die CO₂-Emissionen um rund 30% reduzieren. Geplant ist eine jährliche Produktion von 2,5 Mio. Tonnen CO₂-reduziertem Stahl. Bis 2050 sollen alle Hochöfen durch klimafreundliche Technologien wie grünen Wasserstoff ersetzt werden. Forschungsprojekte wie Susteel testen derweil die CO₂-freie Rohstahlherstellung mit Wasserstoffplasma.
Salzgitter
Der Stahlproduzent Salzgitter setzt auf Direktreduktion mit Wasserstoff und Elektrolichtbogenöfen. Ab 2026 sollen jährlich rund 9’000 Tonnen grüner Wasserstoff für die Herstellung von CO₂-armem Stahl erzeugt werden. Nebst erneuerbaren Energien verfolgt dieser deutsche Hersteller zudem die Strategie eines hohen Schrottanteils. Der Ausbau des Projekts in Peine soll bis 2033 abgeschlossen sein und die Emissionen um bis zu 95 % senken. Heute bietet Salzgitter CO₂-reduzierten, feuerverzinkten Flachstahl aus seiner der «SALCOS-Route» an.
Nachhaltiges Angebot bei Stahldistributor
Der Stahldistributor Klöckner & Co. hat in den letzten Jahren sein Portfolio an nachhaltigen Produkten und Services ausgebaut und fördert die transparente Deklaration und damit Vergleichbarkeit von Stahlprodukten, unter anderem mit den Nexigen Data Services.
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