Positiv führen


19.09.18 - Im Interview erläutert Prof. Alexander W. Hunziker was Menschen motiviert und wie die Führung von Morgen aussehen könnte.



Prof. Alexander W. Hunziker der Berner Fachhoch­schule vermittelt, wie Positive Psychologie im Be­rufsalltag und im Führungskontext angewandt wird. Im Interview erläutert er was Menschen motiviert und wie die Führung von Morgen aussehen könnte.

Was genau verstehen Sie unter positivem führen?

Positiv führen heisst zunächst, Stärken zu sehen, wertzuschätzen und sie weiter zu entwickeln - und dann natürlich, diese Stärken beim Entwickeln von Lösungen prominent und systematisch einzubeziehen. Es geht dabei primär um Stärken von einzelnen Menschen, aber auch von ganzen Teams. Positive Führung beginnt also mit der Haltung, dass positive Aspekte und Stärken wichtig sind und dass sie genau und neugierig untersucht werden sollen, statt dass nur Probleme Aufmerksamkeit erhalten. Der Einsatz von positiven Tools ist sicher ganz wichtig, damit diese Haltung auch Anwendung findet, aber ohne die Haltung sind die Tools ziemlich wertlos.

Nicht immer läuft alles rund. Was raten Sie, wie mit schwierigen Situationen umzugehen ist? Wie bleibt man beispielsweise wertschätzend?

Positive Führung fängt damit an, dass Vorgesetzte sich wirklich Zeit nehmen, die Mitarbeitenden kennenzulernen. Nicht nur, was sie gerade Nützliches für ihren Betrieb leisten können, sondern welche menschlichen Stärken sie haben, wie etwa Neugierde, soziale Intelligenz, Mut oder Dankbarkeit. Das Stärkengespräch ist eines der positiven Tools, das dazu anleitet, über solche Stärken auf sinnvolle Art zu sprechen. Es stärkt die Beziehung und öffnet den Zugang zu enormen Ressourcen. Damit ist eine Grundlage gelegt, die hilfreich ist, wenn es später einmal schwierig wird. Analoges sollte eine Führungskraft mich sich selbst tun, um die eigenen Stärken genau zu kennen. Wenn dann ein Mitarbeiter zum Beispiel einen groben Fehler macht, fälltes der Führungskraft leichter, sich nicht zu ärgern und sie hat Ansatzpunkte, um die Person wirksam zu coachen. In Konfliktsituationen kann die Führungskraft ihre eigenen Stärken leichter einsetzen, um gelassener zu bleiben und Lösungen zu finden. Positive Führung heisst also nicht, immer auf Schönwetter zu machen.

Forschungsergebnisse zeigen, dass glückliche, motivierte Mitarbeiter mehr leisten. Ist diese Erkenntnis schon weit verbreitet?
An der Erkenntnis liegt es nicht; die Frage ist, was Mitarbeitende glücklich macht und motiviert. Da gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen. Viel Geld verdienen und sich dafür möglichst wenig anstrengen zu müssen, zum Beispiel. Natürlich gibt es diese Haltung auch, aber viele Mitarbeitende sind glücklich und motiviert, wenn sie etwas Wertvolles bewirken können und wenn sie für ihren Beitrag Anerkennung finden, wenn sie sich anstrengen, etwas lernen und über sich selbst hinauswachsen. Schauen Sie die Branchen an, in denen Fachkräftemangel herrscht, etwa in der IT-Branche. Da haben führende Unternehmen längst entdeckt, dass sie mehr bieten müssen als gutes Geld für wenig Leistung. Auch mehr als Früchtekorb, Gratiskaffee und Sportanalagen, das ist dort längst Standard. Was gute Fachkräfte wirklich anzieht und im Unternehmen hält, ist eine gute Teamkultur, in der man sich ehrlich Feedback gibt und sich gegenseitig dabei unterstützt, Ziele zu erreichen und sich weiterzuentwickeln. So hängen Glück und Leistung zusammen. Aber auch in anderen Branchen haben viele Führungskräfte eine wertschätzende Haltung. Sie könnten sie wohl noch besser umsetzen, wenn sie eine klarere Vorstellung davon hätten, wie man diese Haltung im Geschäftsalltag praktisch leben kann. Positive Tools für das Führen von Mitarbeitergesprächen oder für das Leiten von Sitzungen können da hilfreich sein.

Mit welchen Interventionen werden Menschen glücklicher, gesünder und leistungsfähiger?
Es gibt eine ganze Fülle von Interventionen. Ein gutes Beispiel ist die Übung, einen Dankesbrief zu schreiben an jemanden, dem man tatsächlich dankbar ist. Ihn abzuschicken ist nicht entscheidend, wichtig ist, dass man ihn schreibt. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Dankbarkeit ist das Wesentliche. Hier zeigt sich ein Grundproblem aller Interventionen: Man muss sie tatsächlich machen. Die Kenntnis der Dankesbrief-Übung bringt nichts. Es braucht also einen sozialen Kontext, indem ein ganzes Team oder eine Führungscrew derartige Übungen ausführt,  damit  sich in einem Unternehmen etwas verändert. Wenn man sich über die Erfahrungen untereinander austauschen kann, kann der Effekt dadurch noch verstärkt werden. Das sind Aspekte, die wir in unseren angewandten Forschungsprojekten zusammen mit Partnerunternehmen untersuchen.

Wie denken Sie, wird die Führung von Morgen aussehen?

Die Digitalisierung bringt Beschleunigung und Unberechenbarkeit in viele Unternehmen. Das erfordert mehr Selbstführung der Mitarbeitenden, mehr Arbeit in Netzwerken statt in Hierarchien und mehr Zusammenarbeit in Teams, die auch rascher ihre Zusammensetzung wechseln. Die Führungsarbeit wird sich daher für spezifische Situationen weiter ausdifferenzieren und an Bedeutung noch zunehmen. Zudem wird Führungsarbeit zunehmend datenbasiert erfolgen. Das Vorleben und Integrieren einer positiven Haltung wird aber unabhängig von spezifischen Technologien immer mehr zum Standard gehören. Wer diesen Standard noch nicht beherrscht, wird künftig rascher Rückmeldung erhalten. Das Arbeiten unter solchen Chefs bringt nämlich nicht nur weniger Erfolg, sondern macht den Mitarbeitenden auch weniger Spass. Junge Mitarbeitende machen meist keinen Aufstand, sondern kündigen einfach. Führungskräfte werden daher erleben, dass HR-Abteilungen rascher reagieren und noch stärker auf das Führungsverhalten Einfluss nehmen. Dies nicht zu tun, werden sich Unternehmen immer weniger leisten können.


Literaturhinweis

Im Buch «Positiv führen» vermittelt der Autor in leicht verständlicher Sprache die theoretischen Grundlagen eines wertschätzenden Führungsstils. Einfach anzuwendende Übungen und Anleitungen weisen den Weg, wie dieser neue Führungsansatz im Berufsalltag umzusetzen ist. Die Konzentration auf Positives und auf Stärken steht dabei im Zentrum. Dieser praktische Leitfaden fördert die Freude an Führungsaufgaben und sorgt so dafür, dass der Erfolg nachhaltig bleibt.
Verlag SKV
Autor: Alexander W. Hunziker

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